Die Trendfarbe 2020 ist Blau hat auch in deutschen Wohnzimmern Einzug gehalten. Sieben Monate mit Classic Blue – Hat die Jury von Pantone für dieses sonderbare Jahr voller Herausforderungen eine treffende Trendfarbe gefunden?
Trendfarbe 2020 – Classic Blue
Am 4. Dezember 2019 gab Pantone aus den USA die Trendfarbe für das Jahr 2020 bekannt und das tiefe Blau an der Schwelle von Himmel und Meer, wie es die Jury selbst sagt, schimmert seitdem durch Modezeitschriften, Inneneinrichtungs Blogs und Sozialen Netzwerken. Es scheint sogar mehr blaue Autos und E-Bikes auf den Straßen zu geben als zuvor.
Ein Blau wie die Hoffnung, nur etwas dunkler, etwas verträumter und etwas ernster scheint es zu sein. Das Classic Blue spiegelt wundersam die Zeit wieder, als ob die Farbexperten einen Blick in die Glaskugel riskiert haben und wussten, was uns alle beschäftigen würde.
Das Pantone Color Institute sagte, dass sich ein Gefühl von Instabilität eingeschlichen hat und eine Farbe dagegen halten soll, die Selbstbewusstsein, Selbstbestätigung und zwischenmenschliche Verbindung symbolisieren soll.
Wer bestimmt die Trendfarben? Eine Skizzierung von Pantone und die Geschichte der Trendfarben
Das Unternehmen Pantone aus Carlstadt, New Jersey ist überwiegend für seinen Farbraum Pantone Matching System (PMS) bekannt. Diesen Farbraum nutzen viele Branchen im Grafikdesign, Modedesign, Produktdesign, Druck und Herstellung.
Den Ursprung hatte Pantone in den 1950ern als Familienunternehmen, das später Lawrence Herbert übernahm und in “Pantone” umbenannte. Mit der erfolgreichen Einführung von Farbkarten, die auch heute noch in vielen Bereichen genutzt werden, wuchs das Unternehmen stetig. Diese Standardisierung von Farben erleichtert das Anmischen der Farben und das Zusammenstellen farblich abgestimmter Umgebungen, ob im Druck oder in der Innenarchitektur.
Die Trendfarben werden seit nunmehr 20 Jahren von Pantone gekürt. Um die Trendfarbe des kommenden Jahres zu bestimmen, verfolgt Pantone einen nahezu holistischen Ansatz. In geheimen Treffen mit anderen internationalen Farbexperten wird der Zeitgeist aus der Synthese gesellschaftlicher Entwicklungen, aus Kunst, Medien und Wirtschaft herausgearbeitet, um eine Prognose zu erstellen. Die Farbe des Jahres soll die Realität widerspiegeln und sich zugleich komplementär positiv auf sie auswirken.
So sagt Leatrice Eiseman, Executive Director des Pantone Color Institutes zur Trendfarbe 2020 Classic Blue auch folgendes:
„Die heutige Zeit verlangt Vertrauen und Hoffnung. Der klassische Blauton Pantone 19-4052 Classic Blue, ganz geprägt von Konstanz und Verlässlichkeit, strahlt genau diese Zuversicht aus. Das intensive Pantone 19-4052 Classic Blue verankert und sicher im Hier und Jetzt. Pantone 19-4052 Classic Blue, das für die endlose Weite des Abendhimmels steht, ruft uns auf, unseren Horizont zu erweitern, klarere Gedanken zu fassen, neue Perspektiven einzunehmen, frei und unvoreingenommen zu kommunizieren.“
Leatrice Eiseman
Ein Rückblick auf die Trendfarben der vergangen Jahre – Ein Spiegel unserer Zeit?
Seit 2000 kürt Pantone die Trendfarben und ein Blick in die Liste verrät einige intime Details unserer Welt.
Schon mit der ersten Trendfarbe für das Jahr 2000 wurde ein Blau gewählt. Das Cerulean war noch ein helles Blau aber auch hier ging es bei der Wahl darum, den Menschen Mut zu machen. Mit dem Ende des Jahrtausends, der Y2K Panik und einem flauen Gefühl im Magen trat die Menschheit ins neue Jahr und ein kräftiger Blauton strahlte für sie die Hoffnung aus, dass alles gut gehen wird.
Auch 2008 wurde ein Blauton, diesmal noch kräftiger als zur Jahrtausendwende zum Sieger gekürt. Blue Iris begleitete uns durch die Weltwirtschaftskrise, die 2007 ihren Anfang nahm und sorgte für eine Art Erdung in ungewissen Zeiten. So ging auch die Wirtschaftskrise vorbei und wir vertrauten auf eine Farbe die uns Stabilität in Aussicht stellte und uns emotional stützen sollte.
Das Blau von 2016 wurde wiederum von einer zweiten Farbe begleitet. Ein Novum für Pantone und ein Symbol für Einheit in Vielfalt. Rose Quartz und Serenity, ein ruhiges Blau und ein gefühlvolles Rosa wurden ausgewählt, auch um die zunehmend zerfließenden Grenzen zwischen den Geschlechtern, das Erstarken einer neuen Emanzipation in Mode und Gesellschaft zu begrüßen und willkommen zu heißen. Das sture Festhalten an Geschlechterrollen wurde, vielleicht nicht ganz frei von Ironie, mit einem Blau und einem Rosa verabschiedet, um zuversichtlich Neues entstehen zu lassen.
Farbe des Jahres 2020 – Die Auswahlgründe
Farbeinflüsse können von Kunst, aufkommenden Medien, Filmen, Lifestyle, sozioökonomischen und politischen Bedingungen, Reisezielen, neuen Technologien ausgehen - von wirklich allem.
Kirsi Goldynia, CNN
Mit dem Classic Blue wurde also ein dunkleres Blau als Trendfarbe für das Jahr 2020 ausgewählt und das sicher nicht aus Zufall.
Es strahlt Stärke und Verlässlichkeit aus und passt damit zu schwierigen Zeiten, in denen es genau auf diese Werte ankommt. Wir schauen auf das „Pantone 19-4052 Classic Blue“ und hören Walgesänge, denken an unsere Träume und an den Himmel kurz nach Sonnenuntergang. Vielleicht erinnert uns das Blau an den Horizont über einen Ozean wenn die Lichter am Ufer noch nicht angegangen sind aber dafür die Sterne am Himmel schon aufleuchten.
Treffen sich zwei kulturelle Codes in einer Bar…
So ähnlich ist es wohl. Das Seröse trifft auf den Erfahrungsschatz, den wir alle teilen und heraus kommt ein vielschichtiger Blauton, der den ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages voraus geht.
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Wofür steht die Farbe blau?
Heute 2020, das wie ein Synonym für eine Pandemie steht, für politischen wie gesellschaftlichen Wandel, wurde in ein tiefes Blau getaucht. Was sich wohl die Jury 2019 bei der Wahl gedacht haben mag? Sicher dachten sie an Trumps neues Amerika, einen instabilen Nahen Osten und den Klimawandel aber eine Epidemie werden auch sie nicht erwartet haben – und das Jahr ist noch nicht vorbei.
An dieser Stelle ist es an der Zeit zu fragen, welche Wirkung Farben auf uns haben können und was es mit dem beruhigendem Blau auf sich hat?
Die Farbe Blau und ihre Wirkung
Denkst Du auch manchmal, dass eine Farbe bei dir Emotionen verstärkt oder hervorruft? Ein roter Ford Mustang strahlt Kraft und Lebendigkeit aus. Eine grüne Wiese im Sommer entspannt und eine gelbe Quietscheente oder ein kleiner gelber Corgi rufen einfach nur Freude hervor.
Aber zunächst: Was ist Blau eigentlich?
Blau ist neben Rot und Gelb ein Grundton aus dem andere Farben gemischt werden können. Das bedeutet, dass man Blau nicht durch das Zusammenmischen von anderen Farben herstellen kann.
Blau findet sich daher auch in dem additiven RGB-Farbraum der aus Rot, Grün und Blau besteht und in dem subtraktiven CMY(K) Farbmodell das aus Cyan, Magenta, Yellow und Key = Schwarz besteht. Diese Farbmodelle ermöglichen die Darstellung und Druck der gängigen Farben und sie sind unerlässlich für unseren Alltag, zum Beispiel bei jedem Blick auf das Smartphone.
Blau ist die Komplementärfarbe zu Gelb, weswegen uns die Kombination dieser beiden Farben in einem Bild oder Text immer ins Auge fällt, was manchmal positiv und manchmal als sehr störend empfunden wird.
Denken wir nur an Van Goghs Selbstportraits mit seinem hellen Haar und blauen Hintergründen.
Aus dem Mischen von Blau und Gelb entsteht wiederum ein grauer Ton, wie es auch beim Mischen der anderen Komplementärfarben der Fall ist. Komplementärfarben löschen sich also gegenseitig aus.
Die Farbenlehre – Blau als Essenz
Philosophen, Physiker und Schriftsteller befassen sich seit weit über Zweitausend Jahren mit Farben als akademischer Herausforderung aber auch als einen Einfluss, der uns emotional berührt.
Die wohl bekannteste Farbenlehre verfasste Johann Wolfgang von Goethe als er um 1809 seinen Farbenkreis gemalt hat.
Dabei stellte sich Goethe in vielerlei Hinsicht Newton entgegen und widersprach ihm insbesondere hinsichtlich der physikalischen Eigenschaften von Licht und damit von Farbe. Goethe kam zum Schluss, dass der Schlüssel zur Harmonie der Farben im “Kampf” von Dunkel und Hell liegt. Gelb gegen Blau sozusagen, wobei er Gelb eine leichtlebige und Blau eine dämpfende Wirkung zuspricht.
Kleiner Spoiler: Newton hatte Recht und alle Farben des Farbspektrums sind im weißen Licht, das auf der Erde ankommt, enthalten und die Sache mit dem Äther, nun ja auch Goethe war nicht allwissend.
Aber Goethe hat mit seiner Schrift auch den Weg für die moderne Farbpsychologie geebnet, indem er die Farben in sympathische und unsympathische Farben unterteile – also schöne und eben weniger schöne Farben.
Heute unterteilen wir Farbtöne gerne in warme und kalte Farben.
Was aus der Farbpsychologie hervorgeht, wenn es um die Wirkung von Farben geht, ist der subjektive und kulturelle Aspekt, der dabei eine wesentliche Rolle spielt. Manche Wirkung aber dürfte die meisten Menschen verbinden, wenn sie aus der Natur herrührt. So ist uns allen das Blau des Himmels oder von Wasser, sei es in einer Pfütze oder einem Ozean vertraut. Die Weite, Ferne oder gar Unendlichkeit dürften wir alle mit der Farbe Blau in Verbindung bringen.
Engt man den Wahrnehmungsbereich etwas ein, sagen wir auf Europa der Moderne, verbinden wir Blau gerne mit Souveränität und Sachlichkeit. Die Farbe Blau schafft Vertrauen auch weil sie uns oft in genau diesem Kontext begegnet und sie so als ein Code für diese Eigenschaften genutzt wird.
Schaut man auf die Verwendung der Farbe Blau, begegnet sie uns oft im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen, als Bekleidung bei Ärzten, nicht zuletzt bei Atemschutzmasken in Zeiten von Corona. Ebenso finden wir Blau bei vielen Technik Konzernen wie zum Beispiel Facebook oder LinkedIn oder bei Automobilherstellern wie VW und BMW im Logo. Hier spricht uns das Blau als Vertreter für Sicherheit und Verlässlichkeit an und die Wirkung wird mit dem Produkt assoziiert.
Je dunkler der Blauton dabei ist, desto seriöser ist die Wirkung, die es ausstrahlt. Im Gegensatz dazu wirkt ein helles Blau unbeschwingt und frei und schaut hoffnungsvoll in die Zukunft.